Manuel Butt | Zierfische in Händen von Idioten

Jede Generation braucht ihr eigenes Abschiedsbuch von den Tagen pubertärer Wirrnis. Vor zwanzig Jahren gab es Rocko Schamonis »Dorfpunks« und 2023 gibt es »Zierfische in Händen von Idioten«. Dass der Roman ein sogenanntes »road novel« ist - geschenkt, dass die Handlung trotz aller turbulenter Wendungen und Windungen im Grunde recht vorhersehbar verläuft - auch geschenkt. Der Witz liegt in Manuel Butts Gabe, Witzigkeit zu erzeugen, nicht zu erzwingen und dabei stillschweigend die Handlung voranzutreiben. Das macht auch dann Spaß, wenn man selber eher ein Dorfpunk ist, den Zierfischen aber legt er die Welt ihrer Jugend zu Füßen, mit aller Selbstbelustigung und Nostalgie, die es eben braucht, um zu verdauen, dass mittlerweile die nächste Jugend am Start ist und deren Kataströphchen nicht mehr die eigenen sind.

| Leseprobe

Tobi war kein Idiot. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass es auf ihrem Weg Probleme geben würde. Er war nicht mal davon ausgegangen, es auch nur in die Nähe ihres Ziels zu schaffen. Als die Polizei im Rückspiegel auftauchte, war er trotzdem baff. Denn sie waren noch gar nicht losgefahren. Der Golf III, Sonderedition Bon Jovi, stand unverändert an der Zapfsäule der alten Nordoel-Tankstelle. […] Tobis Herz pumpte. Es rauschte in den Ohren. Er blickte in den Rückspiegel. Der Streifenwagen stand nun an der Zapfsäule hinter ihnen. Am Steuer saß ein Polizist in kurzärmeligem Hemd, der Beifahrersitz war frei. Warum tankte der Typ nicht einfach? Worauf wartete er? Auf Verstärkung? Um sich abzulenken, kramte Tobi im Handschuhfach. Alles war jetzt besser als die eigenen Gedanken. Er zog eine CD heraus: Bon Jovi, These Days. Das Album war Teil der Sonderausstattung dieses merkwürdigen Autos. Tobi tastete das Handschuhfach bis in die Ecken ab. Er hoffte auf eine zweite CD. Vergeblich. Also schob er seufzend These Days in den Schlitz des Players, bis die CD eingezogen wurde. Musik. Endlich war das Rauschen nicht mehr das Lauteste. Jon Bon Jovi sang ernst und beschwörend. Er gab den Anwalt der Gottverlassenen. Seine Sammelklage mündete im patzig vorgetragenen Chorus: »Hey God, tell me, what the hell is going on?« Gute Frage, dachte Tobi. Auch bei ihnen war einiges schiefgelaufen.

Quelle: Dieser Buchtipp stammt aus unserem SEKO Newsletter 13/23 mit Buch- und Rundfunktipps für literarisch Interessierte und Neuigkeiten rund um SEKO. Zur Anmeldung geht es hier.

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