Gabrielle Zevin | Morgen, morgen und wieder morgen

»Morgen, morgen und wieder morgen« wurde vom »Time«-Magazin zu einem der besten Bücher 2022 gewählt. Der Roman erzählt von zwei Gamedesignern – und ist doch viel mehr als eine Nerdgeschichte aus dem Milieu der Spieleentwickler und Gamer. 500 Seiten lang ist die Welt der beiden Spieleentwicklerinnen, Sadie und Sam, die sich aus den Augen verloren hatten, die sich zufällig wiederbegegnen, und die ihre Freundschaft neu beleben. Vor allem aber entwickeln sie gemeinsam ein neues Spiel und das bringt auch die alten Rivalitäten und Animositäten wieder an die Oberfläche. Stilistisch schenkt Zevin ihrem Publikum einen anschaulichen Text, der grosse Sogkraft entwickelt, die sich aus dem suggestiven Ton erklärt, der uns fortwährend auf der Lauer hält.

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Bevor Mazer sich als Mazer neu erfinden sollte, war er Samson Mazer, und davor hieß er Samson Masur. Zwei geänderte Buchstaben würden ausreichen, um aus einem netten, vermeintlich jüdischen Jungen einen professionellen Weltenbauer zu machen. In der Highscore-Tabelle des Donkey-Kong-Automaten seines Großvaters tauchte er als S.A.M. auf, aber meistens war er einfach nur Sam. […] Sam mochte keine Menschenmengen – weder hielt er sich gern darin auf noch konnte er Massenveranstaltungen etwas abgewinnen. Aber diese würde sich nicht vermeiden lassen. Wenn er in die überirdische Welt vordringen wollte, musste er sich einen Weg hindurch bahnen. Sam trug einen riesenhaften marineblauen Wollmantel, den er von seinem Mitbewohner Marx geerbt hatte. Marx hatte den Mantel während seines ersten Studienjahrs im Armeeladen in der Stadt gekauft und ihn dann ein knappes Semester lang in einer Plastiktüte vergammeln lassen, bis Sam fragte, ob er ihn ausleihen dürfe. Der Winter war besonders unerbittlich gewesen, und im April (im April! Diese Winter in Massachusetts sind doch der Wahnsinn!) hatte der Nordostwind Sams Stolz so weit zermürbt, dass er Marx um den vergessenen Mantel bat. Sam tat so, als gefiele ihm der Stil, und da sagte Marx, er könne den Mantel gern behalten, was Sam genau so vorhergesehen hatte. […] Außerdem hoffte Sam, dass der gigantische Mantel seine Gestalt kaschierte. Aber eigentlich ließen ihn die absurden Ausmaße des Kleidungsstücks nur noch kleiner und kindlicher wirken.

Quelle: Dieser Buchtipp stammt aus unserem SEKO Newsletter KW 14/2023 mit Buch- und Rundfunktipps für literarisch Interessierte und Neuigkeiten rund um SEKO. Zur Anmeldung geht es hier.

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